Hinweis: Hinzu kommen natürlich ggf. die Kirchensteuer und in Ausnahmefällen der Solidaritätszuschlag.
Mythos oder Wahrheit – Weniger Geld trotz mehr Verdienst?
Das Gerücht ist hartnäckig. Bloß keine Überstunden auszahlen lassen – am Ende bleibt weniger im Portemonnaie. Wegen einer kleinen Lohnerhöhung rutschen Arbeitnehmer:innen plötzlich in eine andere Besteuerungsstufe und haben am Ende weniger Geld in der Tasche.
Auflösung: Es ist wirklich nur ein Gerücht vermutlich beruhend auf dem Missverständnis der Steuerprogression.
Tatsächlich steigt zwar die Steuerbelastung an, aber doch sehr moderat und letztlich ist der durchschnittliche Steuersatz ausschlaggebend (s.o.).
Auch wenn in einzelnen Monaten die Einkommen schwanken – mit der jährlichen Steuererklärung wird alles zusammengerechnet und das tatsächliche, zu versteuernde Einkommen (zvE) ermittelt. Erst darauf wird dann die Steuertabelle angewendet und eventuell unterjährig zu viel bezahlte Steuern werden selbstverständlich erstattet.
Progressionsvorbehalt – aus Kür wird Pflicht
In § 32b EstG regelt der Gesetzgeber Leistungen unter Progressionsvorbehalt. Davon betroffen sind unter anderem die sogenannten Lohnersatzleistungen. Dazu zählt beispielsweise:
- Arbeitslosengeld
- Insolvenzgeld
- Infektionsschutzgeld
- Kurzarbeitergeld
- Krankengeld
- Übergangsgeld
- Mutterschaftsgeld
- Elterngeld
Diese Leistungen werden – wie der Name es schon sagt – als Ersatz für Lohn bezahlt. Berechnet werden diese Leistungen nach dem Netto-Lohn und auch netto, ohne Abzug von Steuern, ausgezahlt.
Beispielsweise beträgt das Krankengeld 70-80 % Ihres Netto-Arbeitslohnes. Für diese Leistungen wurden bisher keine Steuern bezahlt und sie bleiben auch weiterhin steuerfrei. Allerdings unterliegen sie dem Progressionsvorbehalt; darauf weisen die auszahlenden Stellen (Arbeitsamt, Krankenkasse, Elterngeldstelle…) hin.
Abgesehen davon, dass diese Gelder nicht dem vollen Netto-Lohn entsprechen, führen diese Zahlungen auch zur Pflichtveranlagung bei der Einkommenssteuer sofern sie höher als 410 € jährlich sind. Aus der freiwilligen Abgabe der Steuer wird ein Muss-, eben weil diese Leistungen dem Progressionsvorbehalt unterliegen.
Hinweis: Arbeitslosengeld II, Hartz IV bzw. Bürgergeld und ähnliche Leistungen unterliegen NICHT dem Progressionsvorbehalt und führen auch nicht zu Pflichtveranlagungen.
Steuernachzahlungen bei Leistungen mit Progressionsvorbehalt?
Die Antwort ist ganz einfach „Jein“ – wie immer: Es kommt darauf an.
Der Gesetzgeber sieht vor, dass die steuerfreien Lohnersatz-Leistungen, die jedoch unter Progressionsvorbehalt sind, dem tatsächlichen Einkommen hinzugerechnet werden. Dann wird abgelesen wie hoch die Steuerbelastung in % mit diesen Leistungen wäre. Dieser Steuersatz wird dann entsprechend auf das tatsächliche Einkommen (ohne die Lohnersatzleistungen) angewendet.
Wer also ganzjährig ausschließlich Lohnersatzleistungen wie etwa Krankengeld, Elterngeld erhalten hat, muss sich keine Sorgen machen. Es hat keine steuerlichen Auswirkungen, denn es gibt ja keinen Lohn, der zu addieren wäre, vorausgesetzt es handelt sich um eine Einzelveranlagung.
Bei der gemeinsamen Veranlagung von Ehegatten:innen kann das schon ganz anderes aussehen und zu erheblichen Nachzahlungen kommen. Möglicherweise ist sogar die Einzelveranlagung von Ehegatten:innen in diesem Jahr ratsam.
Wichtige Infos zu diesem Thema finden Sie in unserem Blogbeitrag: „Zusammenveranlagung oder Einzelveranlagung? So können Sie entscheiden!“
Übrigens: Es gilt das strenge Zuflussprinzip. Die Leistungen werden stets in dem Kalenderjahr hinzugerechnet, in dem sie auch bezahlt wurden, also Ihnen zufließen.
Wer also beispielsweise im Dezember nach mehr als 6 Wochen Lohnfortzahlung ins Krankengeld rutscht, muss oft warten, bis die Krankenkasse im Januar des Folgejahres das Krankengeld berechnet und auszahlt. Diese Beträge gehören dann auch erst in die Steuererklärung des Folgejahres.
So rechnet das Finanzamt
Im Steuerbescheid steht meist ganz hinten unter den Erläuterungen der Hinweis auf die Höhe der berücksichtigten Progressionsleistungen. In der Regel steht die Berechnung des zu versteuernden Einkommens vorn auf den ersten Seiten. Darunter dann die Berechnung der Einkommensteuer mit dem Hinweis, dass nach Berücksichtigung des Progressionsvorbehalts der Steuersatz von xx % auf das zu versteuernde Eikommen von xx Euro angewendet wird.
Ein Praxisbeispiel:
Der steuerpflichtige Angestellte Moritz Maier (Einzelveranlagung) war etwa 3 Monate arbeitsunfähig krank und hat Mitte des Jahres Krankengeld in Höhe von 4.050 Euro bezogen, dazu bekam er außerdem 1.339 Euro Kurzarbeitergeld. Nach Abzug aller berücksichtigungsfähigen Ausgaben betrug sein zu versteuerndes Einkommen 42.602 Euro zuzüglich 5.389 Euro Leistungen unter Progressionsvorbehalt (= 1.339 € + 4.050 €).
Der angewendete Steuersatz betrug 23,68 % auf die 42.602 Euro er zahlte somit 10.089 Euro tarifliche Steuer.
Ohne die Berücksichtigung der Progressionsleistungen wäre der Steuersatz von 22 % auf die 42.602 Euro anzuwenden gewesen. Die tarifliche Steuer hätte dann mit 9.373 Euro zu Buche geschlagen. Also tatsächlich ein sehr deutlicher Unterschied von immerhin über 700 Euro.
Mitunter wird von den Lohnersatzleistungen noch die Werbungskostenpauschale von nunmehr 1.20 Euro gegebenenfalls anteilig in Abzug gebracht. Die Pauschale ist abzuziehen, wenn sie bei den Einkünften aus Nichtselbständiger Tätigkeit nicht oder nicht vollständig berücksichtigt werden konnte.
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